„Entwicklungszusammenarbeit wirkt!“

tomo | Dezember 2022

(c):BPA - Steffen Kugler
(c):BPA - Steffen Kugler

Svenja Schulze (SPD) ist seit Dezember 2021 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ihr Ministerium unterstützt andere Länder bei der Bekämpfung von Hunger und Armut, setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte ein und für eine nachhaltige Klimapolitik.

 

 

Sie haben erklärt, dass Sie eine feministische Entwicklungspolitik verfolgen werden. Warum der Zusatz feministisch?

 

Die Hälfte der Menschheit sind Frauen - aber von Geschlechtergerechtigkeit sind wir vielerorts noch weit entfernt. Feministische Entwicklungspolitik nimmt das Ziel der Gleichstellung in der Entwicklungszusammenarbeit erstmals an vorderster Stelle in den Blick. Gerechtere Gesellschaften, in denen Frauen gleiche Rechte haben und diese auch wahrnehmen können, sind erwiesenermaßen widerstandsfähiger, friedlicher und wirtschaftlich erfolgreicher. Auf dem Weg zu weltweiter Geschlechtergerechtigkeit ist uns die Mitarbeit der Kirchen mit ihrem langjährigen entwicklungspolitischen Engagement willkommen. Darum freue ich mich über das Angebot der KjG zu Geschlechtergerechtigkeit, Partizipation, Inklusion, und Nachhaltigkeit.

 

Das Lieferkettengesetz sollte für eine Verbesserung der Menschenrechte auf der gesamten Lieferkette sorgen. Der aktuelle Gesetzentwurf besagt aber, dass die Unternehmen nur noch für die menschenwürdigen Zustände bei sich und ihrem direkten Zulieferer Verantwortung tragen, obwohl die Menschenrechtsverletzungen am Anfang der Lieferkette stehen. Wird es weitere Anpassungen geben?

 

Was mir ganz wichtig ist: Die Globalisierung muss fair und nachhaltig gestaltet werden. Mit dem Lieferkettengesetz (LkSG) hat Deutschland einen klaren Impuls für verbindliche Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten gegeben Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfasst die gesamte Lieferkette und fordert von Unternehmen, dass sie ein Risikomanagement aufsetzen, das sich mit der gesamten Lieferkette auseinandersetzt. Neben dem eigenen Geschäftsbereich und unmittelbaren Zulieferern muss das Unternehmen anlassbezogen auch bei mittelbaren Zulieferern in der tieferen Lieferkette tätig werden. Dies ist notwendig, wenn einem Unternehmen Anhaltspunkte vorliegen, dass eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht möglich ist. Diese Kenntnis kann das Unternehmen etwa über das eigene Risikomanagement, durch externe Informationen aus der Presse oder Berichten aus der Zivilgesellschaft gewinnen.

 

Obwohl in der Entwicklungshilfe sehr viel Geld investiert wird, nehmen Armut, Hunger, Kinderarmut und menschenunwürdige Zustände zu. Welche Strategien verfolgen Sie, um nachhaltige Entwicklungserfolge zu erzielen? 

 

Ich bin überzeugt: Entwicklungszusammenarbeit wirkt! Aber klar, ihr Erfolg hängt auch davon ab, wie die Bedingungen vor Ort sind. Setzen sich die Regierungen für das Gemeinwohl ein? Werden die Menschenrechte geachtet? Herrscht Frieden oder sind Menschen bedroht oder auf der Flucht? Wir sollten nicht meinen, mit Entwicklungsgeldern allein alles beseitigen zu können, was nachhaltiger Entwicklung im Weg steht. Beispiel Hunger in der Welt: Er wurde über zwei Jahrzehnte hinweg sehr effektiv bekämpft. Jetzt gibt es wieder mehr Hungernde - ca. 800 Millionen weltweit. Wesentliche Ursachen dafür sind der Klimawandel, der zu Ernteeinbrüchen führt, Kriege wie Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine oder in Jemen und in Syrien, aber auch die Pandemie, die Lieferketten unterbrochen und die landwirtschaftliche Produktion zusätzlich erschwert hat.

 

Hilfen für Entwicklungsländer werden oft an Bedingungen geknüpft, wie das Einhalten des westlichen Wertekanons. Das scheint in der derzeitigen Entwicklungspolitik nicht ganz aufzugehen. Es sind Lücken entstanden, die bereits von anderen Staaten wie China ausgefüllt werden und wurden. Mit der „Belt and Road Initiative“ hat China nicht nur die Infrastruktur von Entwicklungsländern beeinflusst, sondern auch die von europäischen Staaten. Wie können wir weiterhin Entwicklungshilfe an Werte knüpfen und gleichzeitig Staaten wie z.B. China, die als totalitärer Staaten gegen unsere Werte sind und Minderheiten im eigenen Land unterdrückten, in unserer deutschen und europäischen Infrastruktur integrieren? Wie passt das zusammen?

 

Freiheit und Solidarität, Gerechtigkeit und die universelle Geltung der Menschenrechte sind Grundwerte unserer Politik. Sie sind unverhandelbar. Werte und Interessen müssen aber keine Gegensätze sein. Unsere Entwicklungspolitik ist daher eine wertegeleitete Interessenpolitik. Zu einer realistischen Betrachtung gehört dann eben auch: Wir werden mit Autokratien kooperieren müssen, um unsere Ziele etwa bei der Bekämpfung des Klimawandels zu erreichen. Also wird es darauf ankommen, dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, mit autokratischen Ländern Inseln der Kooperation zu definieren – und gleichzeitig auch Kontroversen auszutragen, unsere Werte zu vertreten und die Grenzen der Zusammenarbeit deutlich zu machen. Das Beispiel China ist sicher eine besondere Herausforderung, denn China ist für uns einerseits Partner, beim Handel oder bei Fragen des Klimawandels. Andererseits sind wir Wettbewerber - um Rohstoffe, Technologien oder in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Und in geopolitischen Fragen und bei der Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten sind wir sogar Rivalen. Ein kritischer und aufmerksamer Blick auf chinesische Aktivitäten bei uns aber auch weltweit ist und bleibt deshalb sehr wichtig.

 

Der Wiederaufbau der Ukraine ist ein Generationenprojekt. Ist der Wiederaufbau an bestimmte Infrastrukturprojekte geknüpft, die für eine klimafreundliche, nachhaltige und zukunftsfähige Staatenentwicklung stehen?

 

Genau das ist uns bei all unserer Unterstützung, die wir schon jetzt leisten, wichtig. Die zerstörte Infrastruktur kann und darf nicht einfach überall eins-zu-eins wieder aufgebaut, sondern soll moderner und nachhaltiger werden. Zudem setzen wir uns dafür ein, Planung und Entscheidungsfindung beim Wiederaufbau möglichst inklusiv zu gestalten. Das heißt, die Menschen vor Ort und die Zivilgesellschaft sollen mitentscheiden können, auch wenn aktuell noch die schnelle Hilfe im Vordergrund steht, wie etwa die Renovierung von zerstörten Wohnungen, um Menschen auf der Flucht unterzubringen.

 


 

 

Wenn Sophie Schmelz irgendwann mal Ministerin wird, dann aber Superministerin. Oder Supersuperministern.