Remmi-Demmi auf Rollschuhen

tomo: Wie kommt man denn dazu Roller Derby zu spielen und wie bist du dazu gekommen?

Katharina: Im Großen und Ganzen durch Leute die man kennt. Manche suchen aber auch gezielt nach Vollkontakt Sportarten. So viele gibt es da nicht, die vermehrt von weiblich gelesenen Personen gespielt werden. Zuvor hatte ich gerade frisch „Whip It“ gesehen, diesen Roller Derby Film. Das es sowas auch in Essen gibt hat mich überrascht! Als ich dann beim Training vorbeigeschaut habe, konnte ich gar nichts! Keine Rollschuhe fahren, keine Ausdauer. Ich habe also bei null angefangen und bin bis heute hängen geblieben.

Im Netz habe mir ein paar Spiele angesehen. Für mich war es einfach ein großer sich bewegender Knubbel. Es geht alles superschnell.

Ja, genau. In den zwei Minuten eines Jams (siehe Regeln) passiert einfach alles gleichzeitig! Es findet super viel Kommunikation statt. Man muss super viel reden und auch Informationen austauschen. Gleichzeitig muss man aber auch zuhören. Wird zum Beispiel gerade was vom Bankcoach gerufen? Gibt es taktische Anweisungen? Wenn man anfängt den Sport zu gucken gibt es erstmal große Verwirrung: „Was tun die da eigentlich gerade?“ Aber das kommt alles mit der Zeit.

Als ich mir das angeschaut habe, sind mir auch super viele Schiedsrichter, also Officials, aufgefallen. Im inneren Feld war ein riesengroßes Treiben. Wie viele Officials gibt es denn bei so einem Spiel?

Viele auf jeden Fall! So genau kann ich das aber gerade nicht beantworten. Also pro Jammer*in gibt es ein Official, die schauen, was die Jammer*innen gerade machen. Außen sind auch zwei Officials. Es gibt eine Head-Gating-Official, der schaut so auf das große Ganze und deckt nochmal alles ab. Die fallen mir jetzt gerade so ein. Und dann gibt es noch die Non-Skating-Officials. Also alle andern Officials sind auch auf Rollschuhen unterwegs, nur die nicht. Die schauen auf Strafen, Zeit, Punkte. Es braucht also viele Schiedsrichter*innen bei dem Spiel, um das, was in diesen zwei Minuten passiert, überhaupt abdecken zu können. Ein*e Schiedsrichter*in allein könnte das alles nicht in Blick behalten, bei allem, was in der kurzen Zeit passiert.


Wäre eine Position als Official auch eine Möglichkeit, um in den Sport einzusteigen?

Klar! Also gerade, wenn man die Position als Official mal gemacht hat, merkt man erstmal, wie schwer es sein kann bei dem Sport den Überblick zu behalten. Als Spieler*in motzt man, egal in welchem Sport, schnell mal über die Entscheidungen eines Schiedsrichters. Wenn man selbst aber schon mal in dieser Position war, kann man besser nachvollziehen, was die alles machen, worauf die alles achten müssen und warum es auch mal zu Fehlentscheidungen kommen kann.

Ich habe gelesen, dass es bei Spielen von Mixed-Teams gegen ein weiblich gelesenes Team auch dazu kommen kann, dass die Entscheidung getroffen wird, eine männlich gelesene Person vom Spiel auszuschließen, falls sich nur eine Mitspielerin dabei unwohlfühlt. Ist das eine feste Regel?

Es gibt halt feste Regeln, bei Meisterschaften oder internationalen Turnieren. Da wird dann schon festgelegt, wer spielen darf. Hier wird nachgefragt wer fühlt sich wie wohl. WFTDA ist jetzt eine Organisation, die das sehr modern angeht. Eine Person, die sich als Transfrau, intersexuelle Frau und/oder geschlechtsexpansiv identifiziert, kann in einem Team mit skaten. In unserem Team gibt es auch Non-Binäre Personen und Transpersonen, die mit uns spielen. Es wird also nicht von der Organisation entschieden, wer darf spielen und wer nicht. Das möchte der Sport auch gar nicht. Daher wird auch im Verein sehr viel kommuniziert. Wir haben auch eine eigene AG im Verein, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzt und beschäftigt. Das ist auch wichtig. Schließlich muss man sich immer mal wieder fragen: Was passt für uns? Wie gehen wir miteinander um? Wie können wir mehr Leute einschließen, weil ausschließen wollen wir nicht? An sich möchte Roller Derby ein Ort, oder auch sicherer Bereich sein, der in anderen Sportarten jetzt nicht so gegeben ist – Leider!

Roller Derby wurde von der feministischen Bewegung geprägt. Würdest du denn sagen, dass es auch ein feministischer Sport ist?

Ich würde jetzt nicht direkt behaupten, dass der Sport feministisch ist. Aber der Sport kommt auf jeden Fall aus einer feministischen Geschichte, da er sich in den 2000ern aus feministischen Beweggründen neu organisiert hat. Auch ist er offen und versucht inklusiv zu sein. Keine Person soll hier ausgeschlossen werden. In unserem Team gibt es auch Non-Binäre Personen und Transpersonen, die mit uns spielen. Es bedeutet aber auch, dass in den Teams selbst hitzige Diskussionen stattfinden können und man sich da gemeinsam reinfinden muss. Es ist ein sensibles Thema. Ich selbst lerne auch über den Roller Derby, obwohl ich Gender Studies studiert habe, super viele andere oder neue Herangehensweisen und Sichtweisen kennen. Bekomme alltagsnahe Probleme mit, von Menschen, die sonst vielleicht ausgeschlossen werden, die ich sonst nicht realisieren würde, weil ich selbst von den Problemen, die da auftauchen nicht betroffen bin. Dadurch ist es gelebter Sport für alle, der ganz schnell Grenzen setzt, wenn es um Diskriminierung geht. Trotzdem ist der Sport jetzt nicht perfekt. Wir lernen auch. Aber man gibt sich in dem Sport Mühe ein Wohlfühlort für alle zu sein.

Das Regelwerk mit den 70 Seiten spricht auf alle Fälle dafür!

Da ist auch echt vieles durch definiert, wie was in diesem Sport sein soll und was darf und was nicht.

Roller Derby kommt aus dem Show-Wrestling mit Netzstrumpfhosen, Rüschenröcken, Gesichtsbemalung und Kampfnamen. Was ist denn davon heute noch zu finden?

Als ich 2013 mit dem Sport angefangen habe, hatte er sich schon sehr stark professionalisiert. Allein Rüschenröcke sind jetzt in einem Turnier, mit Blick auf die Bundesliga, nicht gerade praktisch. Aber es steht jedem offen, trotzdem zu tragen, was man möchte. Es ist aber auch ein Vorteil für den Sport, wenn man von außen nicht als Spaßsport sondern als ernst zu nehmender Sport wahrgenommen wird. Ob man sich für einen Kampfnamen entscheidet oder nicht, ist auch jedem selbst überlassen. Die meisten in meinen Verein haben sich für einen Kampfnamen entschieden, manche aber auch nicht.

Hast du einen Kampfnamen?

Ich heiß Rakäthe.

Ahh! Also ein Wortspiel mit deinem eigenen Namen.

Ja genau. Der Kampfname, dass jetzt aber mal nur so in den Raum gestellt, kann natürlich auch eine Möglichkeit sein für eine Person, die gerade selbst unsicher ist, oder in der Realität vor bürokratische Hürden stößt, den Namen zu ändern und in Roller Derby für sich selbst zu bestimmen. Es ist auch einfach ein sehr lustiger Teil der Sportart einen Kampfnamen zu haben.

In einem Interview meinte eine Roller-Derby Spieler*in, sagte sie*er: „Wer gern im Moshpit ist, für den ist Roller Derby DIE Sportart“. Ist das so? Bist du auch gerne auf Konzerten im Moshpit unterwegs?

Ne! Gar nicht. Also eigentlich sollten mich keine Menschen berühren. Der Fall bin ich und ich bin trotzdem beim Roller Derby gelandet. Wo ich mich manchmal selbst frage, wie passt das zusammen? Also klar, gerne in Moshpit zu sein kann vielleicht helfen. Das erste Mal in Menschen reinfahren hat mich aber sehr viel Überwindung gekostet. Für mich ist es bei dem Sport die Teamleistung, die man auf dem ersten Blick vielleicht nicht sieht, die mich aber in dem Sport gehalten hat. Es funktioniert nur Punkte zu erzielen, wenn alle zusammenarbeiten und Leistung erbringt.

Roller Derby ist und bleibt ein Vollkontaktsport. Wie viele Blaue Flecke hast du denn schon davongetragen?

Also gezählt habe ich sie jetzt nicht. Zum Glück bisher keine ernsthaften Verletzungen. Aber ja, die gehören schon zum Training dazu. Das passiert schon mal, so wie in anderen Sportar-ten aber auch. Klar, beim Hinfallen mal das Steißbein geprellt, habe ich mir auch - zwei Wo-chen lang war das Schuhe Zubinden nicht so angenehm. Man versucht aber von Anfang an ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Auch wenn man am Anfang nur viele rempelnde Men-schen sieht, steckt da sehr viel Arbeit und Energie darin, dass Roller Derby ein Ort ist, wo gut und fair miteinander umgegangen wird.

Was ist für dich denn das Besondere an dem Sport?

Die Gemeinschaft und das es ein Wohlfühlort für alle Menschen ist, egal wie groß, klein, schwer oder leicht. Du kannst einfach, so wie wie du bist, ein Teil davon sein!


 

 

Sophie Schmelz mag vor allem das Inklusive am Roller Derby.

 

Was ist Roller Derby überhaupt?

Roller Derby ist ein Vollkontaktsport auf Rollschuhen, bei dem es schonmal den einen oder anderen Blauen Fleck geben kann. Deshalb wird bei einem Bout (Roller Derby Spiel) nicht nur Helm getragen, sondern auch Knie-, Ellenbogen- und Handgelenkschoner und ein Mund-schutz. Zwei Teams, je 5 Spieler*innen treten gegeneinander an. Gespielt wird auf einem Track, einem großen Oval gegen den Uhrzeigersinn. Ein Bout wird in zwei Halbzeiten à 30 Minuten gespielt, die jeweils in max. 2 Minuten Jams (Runden) eingeteilt sind. In diesen 2 Minuten versucht der*die Jammer*in, Erkennungsmerkmal ist die Helmhaube mit Stern, das gegnerische Team zu umrunden um so Punkte zu sammeln. Dabei wird sie*er von den Blo-cker*innen gehindert, welche versuchen sie/ihn abzudrängen, in den Weg stellen und mit ganzem Körpereinsatz die Fahrt behindern. Gleichzeitig versuchen die Blocker*innen den*die eigene Jammer*in beim Durchkommen zu unterstützen. Die 8 Blocker*innen bilden das Pack, zu denen auch der*die Pivot (Erkennungsmerkmal ist die Haube mit Strich) ge-hört. Sie*Er darf die Helmhaube (den Stern) des*der eigenen Jammer*in übernehmen und ist somit für diesen Jam der*die neue Jammer*in. Der Jam startet mit einem Pfiff, bei dem alle Spieler*innen gleichzeitig starten.

Fotos: Michael Schrieber & Thorsten Lasrich